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Krisenjahr 1923

Vor 90 Jahren   stand Deutschland vor dem Ruin

Herzogenaurach. Die Deutschen sind der Buh-Mann in Südeuropa. Spanier, Griechen und zuletzt die Zyprioten machen die deutsche Kanzlerin für die harten EU Bedingungen verantwortlich und vergessen darüber, wer die Veranwortlichen für die eigene Misswirtschaft sind.

Vor 90 Jahren erlebte Deutschland die größte Wirtschaftskrise seiner Geschichte. Das Jahr 1923 ist als „das Krisenjahr" schlechthin in die Geschichtsbücher eingegangen. Die Teuerungswelle, die unser Land seit der Einführung des Euros überrollt ist nichts gegen die Preiserhöhungen von 1923, als vom Frühjahr bis zum Herbst die Preise ins Unendliche kletterten und schwindelerregende Höhen erreichten, als man im Mai 1923 für eine Semmel von 30 Gramm in Herzogenaurach satte 90 Reichsmark auf den Ladentisch legen musste und als ein Pfund Schweinefleisch rund 10 000 Mark kostete, wenn man überhaupt Fleisch im Laden bekam.

Die Ursachen für die schlimmste Inflation, die unser Land je erlebt hat, liegen im verloren Krieg von 1914-1918. Schon während des 1. Weltkriegs war die deutsche Währung in Unordnung geraten. Die ungeheuren Ausgaben für die Kriegsführung und erhöhte Anleihen hatten den Geldumlauf bei Kriegsende im November 1918 gegenüber 1914 verzehnfacht.

Die Unterstützung für die entlassenen Soldaten, die Kriegsopferfürsorge und die Kosten für die Besatzungstruppen an Rhein und Ruhr verschlangen riesige Geldsummen, beschleunigten den Geldverfall  und stellten eine ungeheure Belastung für die junge Republik dar. Dazu kamen die harten Bestimmungen des Versailler Friedens von 1919, der Deutschland in jeder Hinsicht belastete. Neben Barzahlungen wurden von den alliierten Siegermächten Sachleistungen von Tieren (Milchkühe, Pferde, Schlachtvieh), Maschinen (Lokomotiven, Lastwagen), Maschinen, Fabrikanlagen und vor allem Kohle (zwei Millionen Tonnen monatlich) gefordert.

Ein Ablieferungsrückstand von Kohle und Holz führte im Januar 1923 zur Besetzung des Ruhrgebiets durch französische und belgische Truppen. Die Ausrufung des „passiven Widerstands" durch die Reichsregierung ließ die Misere im Reich noch größer werden und die Versorgungskrise anschwellen.

In Herzogenaurach war die Kohleversorgung seit 1920 immer schwieriger geworden. Die Kohlenhändler Galster und Fischer erhielten im genannten Jahr beispielsweise nur drei Güterwaggons mit Kohlen für die über 3000 Einwohner. Die Wollwarenfabrik „Wirth und Söhne", die noch während des Krieges vor allem Decken hergestellt hatte, musste den Stadtrat in einem Schreiben vom 22. März 1922 darauf aufmerksam machen, „....dass wir noch in dieser Woche unseren Betrieb wegen Kohlemangel schließen müssen."

Die Drohung der Firma, dass die Mitarbeiter der Tuchfabrik zur Arbeitslosenunterstützung angemeldet werden müssten, fruchtete, denn die Stadtverwaltung bewirkte beim Bezirksamt in Höchstadt die Zuweisung von 100 Zentnern Kohle, die beim Eintreffen der nächsten Kohlelieferung für die Firma Wirth beschlagnahmt werden durften - allerdings zu Lasten der privaten Haushalte. Aber die Sicherung der Arbeitsplätze ging nun einmal vor.

Da von Juli 1922 bis Dezember die Ausgaben der Reichsregierung um das 23-Fache gestiegen waren, während die Einnahmen nur um das Zehnfache zugenommen hatten, stiegen die Preise seit Jahresende 1922 ins Unermessliche. Hatte man für den Dollar bei Kriegsausbruch 1914 4,20 Reichsmark notiert, so waren es bei Kriegsende bereits 8,90 Mark und dann stieg der Dollarkurs auf 493,20 Mark im Juli 1922.Im Januar 1923 lag der Dollarkurs bei knapp 18 000 Mark und im Juli 1923 bei 353 412 Mark, bevor er die schwindelerregende Höhe von 4,6 Millionen Mark im August 1923 und sage und schreibe 4,2 Billionen Mark am 19. November 1923 erreichte.

Entsprechend kletterten auch die Preise in Herzogenaurach und Umgebung in Millionen- und Milliardenhöhe. Im Mai 1923 musste man auf dem Wochenmarkt in Erlangen 100 Mark für ein Pfund Zwiebeln berappen und in Herzogenaurach stieg der Butterpreis von April bis Mai 1923 von 3 800 Mark auf das 7 600 Reichsmark.

Im Frühjahr kostete ein Ei bereits 350 Mark und am 26.Mai verlangten die Bäcker für drei Pfund Weißbrot 2 700 Reichsmark. Der Protokollführer der Herzogenauracher Bäckerinnung, Heinrich Bauer aus der Bahnhofstraße, kam mit dem Notieren der Brotpreiserhöhungen 1923 kaum mehr nach. Von 1,80 Mark im März 1920 kletterte der Preis für ein Pfund Brot auf 100 000 Mark am 1. September 1923, dann weiter  auf 1,5 Millionen; und schließlich erreichte er die schwindelerregende Höhe von 5,2 Milliarden Mitte September und seinen Höchststand 1m 25 November 1923 mit 250 Milliarden Reichsmark.

Wie sollte und konnte man solche Summen bezahlen? Die Reichsbank war inzwischen dazu übergegangen, Geldscheine in ständig größerer Höhe zu drucken. Und als die Notenpressen heiß liefen und die Gelddruckereien nicht mehr nachkamen, erhielten sogar kleine Städte in Franken, wie Rothenburg und auch Herzogenaurach das Recht, eigene Notgeldscheine zu drucken.

Das städtische Notgeld, einseitig bedruckt, mit der Abbildung des Fehnturms auf der linken Seite, wurde zunächst im August 1923 in Ein-Millionen-Mark Scheinen herausgegeben. Es trug die Unterschrift von  Bürgermeister Herold und Stadtkämmerer Schürr. Zum Glück gab es damals noch keine Fotokopierer, sonst wäre wohl der Geldumlauf noch wesentlich höher gewesen als er es ohnehin schon war, denn die Scheine waren alles Andere als fälschungssicher. Im Laufe des Sommers 1923 wurden in der Stadt noch einmal Geldscheine in Höhe von 50 Milliarden Mark in Umlauf gebracht, datiert vom 2. November 1923. Kurze Zeit später wurden sie der Einfachheit halber mit roter Farbe überdruckt, und so wurde aus einem 50 Milliarden Schein ein solcher in Höhe von 500 Milliarden, eine einzige Null: welch kleiner Unterschied! Einer dieser Scheine befindet sich im Besitz des Heimatvereins und hängt zur Dokumentation und Besichtigung, aber leider nicht als legales Zahlungsmittel, säuberlich eingerahmt im 1. Stock des Hauses im Steinweg 5.

Mit dem höchsten aller Herzogenauracher Notgeldscheine war gleichzeitig der Zenit der Inflation im November/Dezember 1923 erreicht. Bis zum 10. Dezember sank der Brotpreis schon wieder auf 170 Milliarden Mark, und nachdem die neue Währung, die „Rentenmark", landesweit eingeführt worden war, konnte man im Januar 1924 ein Pfund Brot für „lumpige" 15 Rentenmarkpfennige kaufen.

Ein abschließender Blick in die Rechnungsbücher der Herzogenauracher Waldkorporation für die erste Dezemberwoche 1923  verzeichnet 29 164 000 000 000 (29 Billionen 164 Milliarden ) Mark allein an Versicherungszahlungen für 24 Waldarbeiter.  Die Summe aller Einnahmen der Waldkorporation im Jahre 1923 soll unseren Lesern als Ratespiel dienen:

es waren genau 71 950 500 461 695 849 Mark.

Die Inflation traf besonders das kleine und mittlere Bürgertum, vor allem wenn es seine Ersparnisse und Guthaben in Hypotheken und Kriegsanleihen angelegt hatte. Wer Grundbesitz und Sachwerte besaß und dieselben nicht veräußert hatte, gehörte zu den Gewinnern der Krise von 1923; aber das waren nur ganz wenige Bürger in der Stadt und vor allem nicht die „kleinen Leute".

                                            Klaus-Peter Gäbelein

Das Krisenjahr 1923

02. Januar : Dollarstand 7 260 Mark
11. Januar Einmarsch belgischer und französischer Truppen in das Ruhrgebiet

01. 
Februar: Dollarkurs 41 500 Mark

02.  08. Februar: die Tagesproduktion der Notenpressen ist von 35 auf 45 Milliarden Papiermark gestiegen. Für den Notendruck sind 33 Druckereien und 12            Papierfabriken nötig/
19. Mai: Separatistenputsch in der Pfalz

            Kommunistenaufstände  und Streiks im Ruhrgebiet

01. 
Juni: Dollarkurs 74 500 Mark

02. 
13. Juni: Einfuhren in das Ruhrgebiet werden von den Franzosen mit Zöllen belegt

08. Juli: 1 Liter Milch kostet in Deutschland 4 000 Mark
14. Juli: Großkundgebung Adolf Hitlers im Münchner Zirkus Krone

21. Juli: Separatistenbewegungen im Rheinland

25. Juli: Dollarkurs steigt auf 600 000 Mark

26. Juli: täglich werden zwei Millionen neue Banknoten gedruckt

01. 
August: Dollarkurs überspringt die Millionengrenze

07. August: Dollarkurs liegt bei 3,3 Millionen Dollar

05. September: Dollarkurs 50 Millionen Mark

09. September: Kommunistenaufstände in Sachsen

23. September: Separatistenaufstände im Rheinland

26. September: Ausnahmezustand in Bayern
                      Ende des „Passiven Widerstands" im Ruhrgebiet
19. Oktober: Dollarstand: 40 Millionen Mark

21. Oktober: Separatisten rufen in Aachen die „Rheinische Republik" aus

22. Oktober: Dollarstand: 40 Milliarden Mark
                  Kommunistenaufstand in Hamburg und Sachsen

05. November: Ausrufung der „Autonomen Republik Pfalz" in Speyer

08./09. November: Hitlerputsch in München

15. November: Dollarkurs: 4 200 000 000 000 Mark (4,2 Billionen)

Der Tageslohn eines gelernten Arbeiters in Berlin beträft 3 Billionen M.
Ausgabe der Rentenmark. Eine Billion Papiermark entspricht einer
Goldmark oder einer Rentenmark.
Das bedeutet das Ende der Inflation
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