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Vortrag Heller: Tropfhäuser im Steigerwald

Von „armen Tröpfen" in Franken

Vortrag von Prof. Hartmut Heller

Herzogenaurach (gä) Mit der Massenarmut in unserer Region im 18. und 19. Jahrhundert beschäftigte sich Prof. Hartmut Heller in seinem Vortrag beim Heimatverein. Bei seinen Untersuchungen kam er immer wieder auf die Orte Vestenbergsgreuth, Adelsdorf, Mühlhausen, auf Rauschenberg oberhalb des Aischgrunds und vor allem auf den heutigen Hirschaider Ortsteil Sassanfahrt zu sprechen.

Aufgrund der Entvölkerung im 30-jährigen Krieg und den Jahrzehnten danach, versuchten zahlreiche Reichsritter im Fränkischen ihre Dörfer „aufzufüllen", denn Menschen, sprich „Seelen" oder „Köpfe" bedeuteten eine sichere Steuereinnahme. Vielfach wurden für Neusiedler „Tropfhäuser" errichtet, die ihren Namen durch die Definition der Grundstücksgrenze erhielten. Diese befand sich an der Stelle, an der von den Dachtraufen (ohne Regenrinne) das Wasser tropfte. Und die Bewohner waren im wahrsten Sinne des Wortes „arme Tröpfe". Nur wenige von ihnen besaßen Ackerland, um die Ernährung zu garantieren, von Großvieh ganz zu schweigen. Dieser Mangel führte zur Unterversorgung und Verelendung, von der späteren Geschichtsschreibung als „Pauperismus" definiert (von lateinisch „pauper" = arm, elend).

Die Wohnverhältnisse waren katastrophal. Oft teilten sich zwei Familien oder mehrere Generationen eine kleine Hütte, wie sie heute als Museum eingerichtet in Sassanfahrt noch zu besichtigen ist. Versuche, Arbeitsplätze in Papiermühlen oder Manufakturen einzurichten scheiterten zunächst und die angesiedelten Personen lebten von Gelegenheitsarbeiten als Tagelöhner in der Landwirtschaft, von der Arbeit in den Wäldern, vom Beeren- und Pilze Sammeln, manchmal auch durch das Anlegen von Sonderkulturen. Doch das Schnitzen von Holzschindeln, der Meerrettich-, Hopfen- oder Pfefferminzanbau brachte nur einigen wenigen Arbeit und Brot.

Bald wich die „Peuplierungspolitik", also die Ansiedlungspoltik, der zunehmenden Angst vor zuviel Menschen in den fränkischen Dörfern.  So konnte die Siedlungspolitik des Reichsgrafen Friedrich Julius Heinrich von Soden in Sassanfahrt nicht wie gewünscht die Neuankömmlinge zu „arbeitssamen und nützlichen Staatsbürgern" erziehen. Die Wahrheit lag vielmehr in einem Bericht aus dem Jahr 1808, wo es über die wachsende Kriminalität der Einwohner von Sassanfahrt heißt: „Es ist aktenkundige Wahrheit, dass sich daselbst eine Pflanzschule von Bettlern, Streunern, Dieben und Messerstechern....bildete." Und im Scherz werden die Sassanfahrter von den Hirschaidern heute noch als „Messerstecher" bezeichnet. Mit Zuzugsverboten, Landesverweisungen, Heiratsbeschränkungen und drakonischen Strafen für ledige Mütter reagierten die kleinen fränkischen Reichsritter gegen die plötzlich aufgetretene Übervölkerung. Kein Wunder, wenn es verstärkt zu Auswanderungen nach den USA oder nach dem Osten kam.

Einfacher mit der Bevölkerungspolitik (Peuplierung) hatten es die größeren Territorialherren wie die Fürstbischöfe von Bamberg und Würzburg, die Grafen von Castell oder die Hohenzollern im heutigen Mittelfranken. Man lockte mit Landzuweisungen, Steuerfreiheit, kostenlosem Bauholz oder Freistellung vom Wehrdienst. Auch Andersgläubige, vor allem Juden durften sich ansiedeln - und sie wurden vielerorts aufgrund ihrer Geschäftstüchtigkeit ein bedeutender Wirtschaftsfaktor vor allem im Aischgrund zwischen Adelsdorf und Bad Windsheim oder auch an der Ebrach in und um Mühlhausen.

Während sich in den Steigerwalddörfern die „Köbler" (ein Kobel ist eine kleine Hütte) und Tropfhäusler recht und schlecht durchs Leben kämpften, Frösche fingen und sie als Leckerbissen verkauften oder Wagenschmiere bis ins südliche Bayern verkauften, fanden immer mehr Einwohner von Sassanfahrt in der Korbflechterei ein neues Zubrot. Im Hausierhandel veräußerten sie ihre Waren. Und mancherorts, wie in Adelsdorf, nahm in den 30-er Jahren des 19. Jahrhunderts dank der Industrialisierung und eines beginnenden Baubooms in den Städten die Zahl der Maurer und Bauarbeiter rasant zu. Noch aber war kein Ende der Not und des Massenelends abzusehen.

                                                                                        Klaus-Peter Gäbelein

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