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Kurr Hans-Udo

Von einem, der auszog ..............

Herzogenaurach. Das ist die Geschichte vom Hans im Glück. Nein, es die Storyvom kleinen Hans, der auszog, um in der Neuen Welt durch Leistung sein Glück zu suchen und Karriere zu machen.

Held unserer Geschichte ist Hans-Udo Kurr, dessen Weg im Alter von gerade einmal 12 1/2 Jahren zum Jahreswechsel 1958/59 aus dem damals noch verstaubten Herzogenaurach über den großen Teich in die flitternde US-Metropole New York geführt und der dort den Sprung in höchste Diplomatenkreise geschafft hat: Denn fast drei Jahrzehnte arbeitete der Herzogenauracher als Simultandolmetscher bei den Vereinten Nationen (UNO).

Von der Aurach an den East River

Es war ein harter, aber auch ein steiler Weg, den der Bub vom hiesigen Hallertürlein zurückgelegt hat. Doch gemach und der Reihe nach! Die Familie Kurr, eine alte Herzogenauracher Maurer und Bauherren Dynastie, Baumeister und Restauratoren um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert, engagiert und Heimat verbunden waren die Kurr Mitbegründer des Heimatmuseums und des Heimatvereins, bemüht, die Stadt aus dem Dornröschenschlaf zu wecken.

Seine Mutter, die Bild hübsche Mia Lili Kurr brachte ihren Sohn als außereheliches Kind 1946 in Forchheim zur Welt. Zu groß war die Schmach in ihrer Heimatstadt, ein uneheliches Kind zu gebären, noch dazu von einem Besatzungssoldaten. Lili, sie hatte nach heutigem Wortgebrauch eine florierende „Geschenkboutique" auf dem elterlichen Grund unterhalb des „Hallertürlein" betrieben, verkaufte vor allem Hummel Figuren an die GIs und zog es schließlich vor, ihre Heimatstadt 1955 in Richtung USA zu verlassen. Jenseits des großen Teichs konnte sie jedoch auch Hans-Udos Vater nicht zur Anerkennung seiner Vaterschaft bewegen.

„Meine Mutter, zart lieb und unzerbrechlich hat meinen Vater, einen Texaner, nie verteufelt, wenn gleich er  - auch per Anwalt - alle Verantwortung für mich und meine Mutter glatt abgelehnt hat." so H. U. Kurr wenn er von seiner Mutter erzählt und von ihr in den höchsten Tönen schwärmt.

Der Junge wuchs zunächst beim Großvater Georg Ferdinand in der Flughafenstraße auf, besuchte die Knabenschule in der Hauptstraße, wurde später von Rektor Kuno Wachter an der Carl-Platz-Schule unterrichtet, bevor er für zwei Jahre an das Gymnasium Fridericianum in Erlangen kam. Am Jahresende 1958 setzte man Klein Udo in Nürnberg ins Flugzeug und nach vielen Umwegen, weil der Direktflug nicht zu bezahlen waren war, schlossen ihn seine Mutter und die Tante, Anna Rahmer (1927 ausgewandert), zu Silvester in die Arme.

Sprachgenie

Vier Tage später, „ausgerüstet mit zwei Wörterbüchern und viel Papier", saß der 12-Jährige auf der Hinterbank in einer von katholischen Maristen Brüdern geleiteten Schule, verzichtete schon nach wenigen Wochen auf die Betreuung durch einen älteren Betreuer, sprach und schrieb bald englisch so gut wie seine Muttersprache. Er besuchte weiterhin die von den Maristen geleitete High School. Das Schicksal wollte: es: Auf dem Weg zur Schule traf Hans Udo auf Puertoricaner. Doch die unterhielten sich in spanischer Sprache. Was blieb dem kleinen Deutschen anderes übrig, als sich deren Sprache anzueignen und so erlernte er neben dem Englischen innerhalb kurzer Zeit auch noch das Spanische. Nach vier-jähriger High School Zeit schloss er als Schulbester im Spanischen ab.

Beim Besuch des von Jesuiten geleiteten Fordham College lernte Kurr innerhalb von vier Jahren französisch und erwies sich somit als wahres Sprachengenie. Der junge Deutsche, inzwischen hatte er die US-Staatsbürgerschaft erworben, errang ein Stipendium an der Universität im italienischen Bologna.

„Ich musste Not gedrungen jetzt auch noch italienisch lernen, stürzte mich in die Landessprache und war glücklich, als mich eine Schuhverkäuferin fragte, aus welchem Teil Italiens ich denn stamme", erinnert sich H.-U. Kurr.

In Bologna bewies das junge Sprachengenie, dass er auch organisieren kann. Er fuhr mit einer Gruppe von Studenten zum Münchner Oktoberfest und anschließend brach er zu einem 15-tägigen Trip mit Kommilitonen in die damalige UdSSR nach Moskau, Leningrad und Kiew auf. Und ein  weiteres Mal spielte das Schicksal mit dem Franken Kurr. Im Zug schenkte ihm ein Russe ein deutsch-russisches Lexikon. Das Ergebnis: Noch während der Reise begann Kurr sich in Eigenregie das Russische anzueignen. Heute beherrscht er auch diese Sprache wie seine Muttersprache - kein Wunder, denn Gattin Tatjana kommt von den Ufern des Amur im fernen Russland.

Und da der Weg von Oberitalien ins heimische Herzogenaurach nicht so weit ist, wie die Entfernungen im „Land der unbegrenzten Möglichkeiten", besorgte sich der junge Kurr ein Bahnticket und besuchte den Großvater an der Aurach. Es war eine traurige Begegnung, denn der Opa lag im Sterben und Hans-Udo konnte ihm gerade noch die Hand drücken, bevor dieser entschlief.

Mit der US Air Force in die alte Heimat

Kurr beendete seine Studien mit dem Abschluss zum „Magister" (für Internationale Politik und Wirtschaft) und meldete sich anschließend zum Dienst bei der amerikanischen Luftwaffe, der Air Force. „Der Herrgott stand mir zur Seite. Statt ins hart umkämpfte Vietnam wurde ich als „Information Officer" in das deutsche Ramstein versetzt. Ich war verantwortlich für „public affairs", sprich für die Öffentlichkeitsarbeit, für die Zusammenarbeit zwischen Deutschen und US-Amerikanern. Kaum drei Wochen in der Eifel eingearbeitet, musste ich einen Major in Berlin-West ablösen. Nach einem weiteren Einsatz in Ramstein, beendete ich meinen Militärdienst 1974 als Captain bei der Luftwaffe.

Tödliche Bankjahre

„Ich heuerte dann bei einer Bank in New York an.. Bei der Osteuropa Abteilung der „Manufacturers Hannover Trust" kamen mir meine russischen Sprachkenntnisse zugute, da die Bank fast ausschließlich Gelder für den Bau von Ölleitungen in der Sowjetunion zur Verfügung stellte."

„Die Arbeit in der Bank, die eineinhalb Jahre, waren tödlich", so Hans-Udo Kurr im Rückblick.

Das quirlige Sprachgenie aus dem Frankenland suchte eine neue Herausforderung. Doch diese sollte erst drei Jahre später kommen. Hans Udo Kurr „jobbte" in New York. Für eine neue Anstellung war der gebürtige Oberfranke meist „überqualifiziert" und außerdem zerschlugen sich auch Versuche, bei den großen amerikanischen Presseagenturen „ap" und „upi" .Über 80 erfolglose Interviews bei Fluglinien und Werbebüros gab der gebürtige Franke, sprich mehr als 80 Bewerbungen  -  und alle waren erfolglos.

Traumjob bei der UNO

Nach einem kurzen Gastspiel bei „Associated  Press" Hans-Udo Kurr sein Glück bei den Vereinten Nationen.

Als einziger von 60 Bewerbern meisterte er eine Serie von Tests Sprachkenntnisse unter Beweis zu stellen. „Ich musste vom Spanischen und Französischen spontan, zunächst vom Blatt, dann von einem Tonband, ins Englische übersetzen und das, obwohl ich jahrelang nur noch englisch gesprochen hatte. Mein Glück war es, dass ich mir ein zweites Band vorspielen ließ - und der Herrgott hatte wohl wieder einmal ein Einsehen mit mir. Man schickte mich zu einem „Sprach-Crash-Kurs". Ich legte mein Abschlussexamen vor Veteranen aus Genf und New York ab und man bestätigte mir hinterher, dass dies die beste Prüfung gewesen sei, die man seit Jahren abgenommen hat. Und so begann mein Dienst bei den Vereinten Nationen am 03. Juli 1978."

Hautnah an den bedeutendsten Politikern

Dreieinhalb Jahrzehnte führte ihn sei „Job" rund um den Erdball. Ein Höhepunkt jagte den anderen. Hans Udo Kurr dolmetschte in Havanna, Nicaragua und Costa Rica, war 1983 in Kingston/Jamaica bei der „Internationalen Seerechtskonvention" dabei, "und zwar nicht nur einmal, sondern gleich sieben Mal und das jeweils mindestens für vier Wochen. 1984 folgte eine Konferenz im japanischen Yokohama, wenig später ging es nach Nairobi/Kenia und dann immer weiter, Schlag auf Schlag. Zwischenzeitlich tagte man auch im UNO-Hauptgebäude in New York und immer lief die „Dolmetscher Maschine Kurr" auf vollen Touren.

Der Herzogenauracher Kurr erlebte viele bedeutende Persönlichkeiten des späten 20. Jahrhunderts, natürlich „live". Ergreifend das Zusammentreffen mit Papst Johannes Paul II. in New York (1980), Eindrucksvoll, aber bedrückend zugleich, wie der Zigarre paffende kubanische Diktator Castro als Vorsitzender der „Nichtalliierten Bewegung" (d.h. Vereinigung der Nicht-Paktgebundenen Länder) trotz seiner engen Bindung an die Warschauer Paktstaaten und zum Sowjet Imperium die Konferenz 1979 hinaus zögerte. „Während die Kubaner nach Lebensmitteln Schlange standen, lebten wir Mitarbeiter und die Diplomaten zwei Wochen lang wie die Made im Speck. Kostenlose Kino- und Barbesuche, Cocktails, und Festbanketts lösten einander ab, aber die `Wände hatten Ohren, selbst in den Kirchen `", so Hans-Udo Kurr, wobei er auf Abhörpraktiken des kubanischen Geheimdienstes anspielt.

Ein ähnliches Szenarium: Kingston 1983. „Wir hatten praktisch fünf Wochen lang nichts zu dolmetschen, weil hinter den Kulissen erbitterte Schlachten abliefen und das nur wegen der „Mega-Ambitionen" eines einzigen Diplomaten aus Jamaika, den selbst die eigene Regionalgruppe nicht ausstehen konnte. Um die Zeit zu vertreiben, organisierte ich Ausflüge für UNO Belegschaftsmitglieder und Diplomaten. 1,6 Millionen Dollar wurden zum Fenster hinaus geworfen."

Hans-Udo Kurr dolmetschte bei der Weltfrauenkonferenz in Nairobi als 5000 Regierungsvertreterinnen anwesend waren(1985), war beruflich in Bangkok bei einer Finanz Komitee Konferenz und hatte auf dem Weg nach Japan auch einmal Zeit und Gelegenheit in Nepal bei Mönchen einzukehren und einen Blick auf die Gipfel des Himalaya  zu werfen.

Bei all den vielen Dienstreisen hatte Kurr auch die Möglichkeit, Besuche von seiner Mutter und aus der Heimat zu empfangen. Mit der Tante (Anni Schaufler, eine Tochter des Baumeisters Anton Kurr) und der Mama genoss er auf einer einzigen Reise drei Jahreszeiten in einem: von Alaska (Winter) über den Herbst (Fairbanks) bis zur Südküste im Nordosten der USA  mit dem Spätsommer in Anchorage.))

1989: Die politische Wende verändert vieles

Ab Herbst 1989 stürzten Mauern, nicht nur in Berlin.

1989 steckte ein Kollege von der Russisch Abteilung des UNO-Simultandolmetscherdienstes Kurr das Buch „Eisbrecher" zu. Der russische Militärhistoriker und Militärspion Victor Suvorov (alias Vladimir Resun) hatte es nach seiner Flucht aus der UdSSR 1985 im Exil in England veröffentlicht. Suvorov versuchte damals die Präventivkriegskrise des deutschen Angriffs auf die UdSSR ins Gegenteil zu kehren und Stalin einen geplanten Angriff auf Hitler-Deutschland zu unterstellen. H.- U. Kurr übersetzte das Buch 2008 aufs Neue ins Englische.

Inzwischen hatte sich der Gesundheitszustand von Kurrs Mutter zusehends verschlechtert.  Sechs Wochen lang nahm er die alte Dame dank einer Sondergenehmigung mit zur Arbeit in das UNO-Hauptgebäude, bevor er sie in einem Pflegeheim unterbringen konnte, in dem sie 2006 verstarb.

Inzwischen hatte H - U. Kurr seine Frau Tatjana (Tanja), eine gebürtige Russin aus der Amur Region kennen gelernt. „Wir heirateten 1999, statteten meiner Heimatstadt Herzogenaurach 2004 einen ersten Besuch ab, verabschiedeten uns 2006 nach meiner Versetzung in den Ruhestand vom Schmelztiegel New York City und „flüchteten" in den Norden, 400 km von New York entfernt. Hier in der unberührten Naturlandschaft, auf dem einstigen Territorium der Adirondack Indianer (der Name bedeutet soviel wie „Rindenfresser") hatte ich schon 1977 ein 68 Hektar großes Grundstück erworben. Wir genießen die angenehm kühlen Sommer, die knackigen Winter (1979 bis -47 Grad) in unserem „Luftkurort" in der Wildnis, wo sogar Füche und Bären bis an unser Haus kommen und die Rufe der Kojoten zu hören sind. Inzwischen sind wir Energie unabhängig, dank einer Windturbine und der Nutzung der Sonnenenergie und  besitzen einen eigenen Brunnen aus dem herrliches Kristall klares  Bergwasser sprudelt. Und hier wachsen unsere beiden Buben, Matthias (7 Jahre) und Thomas (5 Jahre) auf."

Anfang Oktober werden die Kurr wieder zurückkehren über den großen Teich, ihr gemütliches Heim Winter fest machen wie einst die Trapper im Norden der USA und sich der schulischen Erziehung ihrer Kinder - zusammen mit anderen Nachbarskindern - widmen, denn in das öffentliche US-Schulsystem haben sie wenig Vertrauen. Und dann lernen die beiden Buben neben den drei Sprachen deutsch, englisch und russisch, die sie bereits fast fließend beherrschen sicherlich auch das Französische, Italienische und Spanische, das ihr Vater fließend beherrscht.

 

                                                               Klaus-Peter Gäbelein

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