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Kerwa in Oberreichenbach

Herzogenaurach/Oberreichenbach. Am kommenden Wochenende feiert die kleinste Gemeinde im Landkreis Erlangen-Höchstadt ihr Kirchweihfest. Der 1. September ist der Gedenktag des heiligen Egidius, zu dessen Ehren die Kirche in Oberreichenbach geweiht worden ist.

 

 

Die früheste Geschichte

 

 

 

Der Ortsname „richpach“ („reicher, großer oder vielleicht auch fischreicher Bach“) erscheint erstmals in einer Urkunde des Jahres 1136. Ein Graf Berthold II.von Bergtheim hat damals „allodia“(Familienerbgüter) im Raum  Oberreichenbach dem Kloster Michelsberg in Bamberg vermacht. Enge Beziehungen hatte der Ort in der Folge zum Kloster Münchaurach (1128 von Bischof Otto von Bamberg geweiht) und nach Herzogenaurach. Doch auch Nürnberger Patrizier haben im Laufe der Jahrhunderte Güter hier besessen und die Nürnberger Burggrafen erhielten ab 1358 die Vogteirechte (Gerichtsbarkeit) über den Ort. Als 1449 im 1. Markgrafenkrieg „sieben Dörfer zwischen Puschendorf und Oberreichenbach brannten“, wird der Ort wohl auch in Mitleidenschaft gezogen worden sein.

 

Selbstbewusst und stolz müssen die Oberreichenbacher schon früher gewesen sein, als sie nämlich 1488 dem Kloster Münchaurach den fälligen Zins verweigerten, weil das Kloster „seinen Verpflichtungen dem Dorf gegenüber nicht nachgekommen war und die sonn- und feiertägliche Predigt in der Dorfkapelle nicht mehr gehalten hatte“.

 

 

 

Die Egidienkirche

 

 

 

Mit dem Einzug der Reformation und noch vor der Auflösung des Klosters Münchaurach kommt die Oberreichenbacher Kirche zum evangelischen Aufsichtsbezirk Baiersdorf (1528) und zwei Jahre später erhielten die Gläubigen in Münchaurach und Oberreichenbach mit Pankraz Neu(n)dörfer ihren ersten evangelischen Geistlichen.

 

Über die Kirche, die einem der 14 Nothelfer, dem in Griechenland beheimateten Egidius geweiht worden war, lesen wir:

 

„Sie stammt, wie die ....(Münchauracher) Pfarrkirche aus längst vergangenen Tagen....Sie liegt mehr nördlich in dem etwas weitläufig gebauten Orte, auf einer kleinen Erhöhung“. Soweit die ältesten Eintragungen in den Münchauracher Pfarrbüchern. Genaue Jahresangaben zum Bau sind leider nicht vorhanden. Erst aus dem 18. Jahrhhundert (1734) erfahren wir, dass die Egidienkirche, wohl nach einem Erweiterungs- und Umbau „88 Fuß lang, 27 Fuß breit und 40 Fuß hoch ist und dass der Turm 80 Fuß misst“.(1 Fuß ca. 30 cm).

 

Für die 48 Familien und 255 Einwohner im Jahr 1866 war das Gotteshaus vom Platzbedarf auf alle Fälle groß genug, zumal in späteren Jahren ein Chorraum von 18 auf 21 Schuh angebaut worden ist.

 

 

 

Pfarrer Saubert hat um 1866 immer wieder Klage über den für ihn unglücklichen Bau des Gotteshauses geklagt, weil sich die Kanzel anfangs unmittelbar über dem Altar befand, „so dass der Prediger ersteren (den Altar) ob er wolle oder nicht mit Füßen tritt“. Später wurde die Kanzel an ihre heutige Stelle an den  Eingang zum Kirchenchor versetzt.

 

1734 hat das Gotteshaus neue Glocken bekommen: die größere enthält die Inschrift „Johann Samuel Troeger, Pastor Münchaurach et (und) Oberreichenbach 1734“, auf der kleineren Glocke lesen wir „Alois Stumptner und Johann Peter Frühwald, Gotteshaus-Pfleger“.

 

 

 

Als nach dem 30-jährigen Krieg die Klagen immer  lauter wurden, dass nicht nur die Wölfe in unserer Gegend heulten, sondern auch „von christlicher Ordnung, Sitte und Zucht in Haus und Gemeinde“ wenig zu spüren sei und dass „alle Bande der bürgerlichen Ordnung zerrissen seien“, dass die „Sonntagsentheiligung“ wilde Formen annehme „welche absonderlich bei den Jahrmärkten mit Fressen, Saufen, Spielen, Fluchen und Gotteslästern stattfindet“, beschloss Pfarrer Heinrich Schroen, in Oberreichenbach ein Schulhaus errichten zu lassen (31. Mai 1718) um dem Sittenverfall vorzubeugen.

 

 

 

Die Münchauracher Geistlichen beklagten sich bis ins 19. Jahrhundert häufig über die Belastungen, die ihnen durch die Betreuung der Filiale an 21 Sonn- und Feiertagen in Oberreichenbach aufgebürdet wurden, auch wenn dem Pfarrer „in den Oberreichenbacher Häusern eine Mittagskost (sog.“ Naturalspeißung“) zustand. Und wenn nicht eine „chaise“ (Kutsche) zur Verfügung gestellt wurde, so war der Weg für den Pfarrer doch sehr beschwerlich: „reichlich 1 ¼ Stunden, führt durchaus mehr oder minder bergan und gewährt gegen drückende Sonnenhitze oder auch schnell erfolgende Regengüsse fast gänzlich keinen Schutz.“(Dekan Saubert im jahr 1862)

 

 

 

„Religions-sittliche“ Anmerkungen über die Oberreichenbacher

 

 

 

Die Münchauracher Pfarrbücher liefern einen anschaulichen Sittenbericht über die Oberreichenbacher Einwohner im 19. Jahrhundert. Da wird Klage geführt über Unkeuschheut und Unzucht, die überall und auch hier im Schwange ist“. So heißt es „unter den im Pfarr-Bezirk Geborenen befinden sich alljährlich circa ein Drittheil von in Unehren erzeugten geborenen Kindern.“

 

Dekan Saubert bringt jedoch teilweise Verständnis für die Sünder in seinen Pfarreien auf, wenn er an die schwierigen Verhältniss denkt, denen junge Leute, vor allem die Dienstboten, ausgesetzt waren , wenn sie heiratet wollten! Denn „welcher Sohn armer Eltern und welches Mädchen kann schon die geforderte eigene Wohnung oder den eigenen Grund und Boden vorweisen?“, so der Dekan.

 

 

 

Doch insgesamt beklagt die Geistlichkeit (Dekan Segnitz) eine gewisse Sittenlosigkeit allüberall – nicht nur, aber auch in Oberreichenbach! Er schimpft über „das zuchtlose Streunen und Laufen an die Kammerfenster, sogar von 15- und 16-jährigen Mädchen“ und dass die Jugend selbst auf dem Lande mit sexuellen Dingen viel zu früh bekannt gemacht werde.

 

Insgesamt „geräth die Kinderzucht gar übel“ und allüberall fehlt es an der „christlichen Haus-Ordnung“, weil sich die meisten Familien über die täglichen Andachten und Gebete hinwegsetzen. Hinzu kommt, dass „freches Fluchen und Schwören zur Gewohnheit geworden“ sei , ebenso wie die Tatsache, „dass es hierorts auch nicht an Sabbatschändern fehle.“ Schuld daran seien die „augenfällig vielen Märkte und Messen, welche in den benachbarten Orten....zu Herzogenaurach, Weisendorf und Emskirchen an den Sonntagsnachmittagen jahraus jahrein abgehalten werden ..... denn diese  lauten Sonntagsmärkte mit ihrem lauten Buden-Kram und dissolutem (zügellosen) Wirtshausleben verscheuchen nicht für wenige die sabbatische Ruhe ... und zerstören den eigentlichen Sonntags-Segen.“

 

Nun Klagen über die Jugend – welche Zeit hat dies nicht ertragen und verkraften müssen?

 

 Doch Dekan Saubert weiß auch Positives über sein Oberreichenbacher Schäflein zu berichten.  „Vielfach hat man noch ein offenes Ohr für die Predigt und die guten Worte des Geistlichen oder Pfarrers, wenn man den beiden gegenüber auch manchmal recht grob sein kann. Die Hl. Schrift ist so ziemlich in jedem Haus vorhanden; in meisten Häusern findet man auch gute Predigt- und Gebetbücher als ´wertvollen Hausschatz´. Doch leider Gottes sollten diese wertvollen Schriften mehr gelesen werden......“

 

Schließlich bricht der Geistliche eine Lanze für die Erwachsenen in Oberreichenbach. „....hier werden am Sonntag noch die schönen alten Trachten getragen. Die Männer gehen im tadellosen schwarzen Anzug und einem Zylinderhut zur Kirche, was eine würdigen Eindruck macht. Hier verzichten die Frauen noch auf die modernen Hüte oder ´die neuartigen Kostüme´, und auch bei den Hochzeiten trägt die Braut noch das schlichte schwarze Gewand, wie es zu Großmutters Zeiten der Fall gewesen ist.“

 

Und da die Oberreichenbacher -  damals wie heute im Grunde ehrenwerte Bürger waren und sind – fügt der Herr Dekan noch an: „Große Diebstähle kommen in der Gemeinde selten vor. Mit kleineren Annektierungen (Aneignungen, Diebstählen)) freilich namentlich in Bezug auf Obst, Feldfrüchte und Brennholz nimmt man es nicht allzu genau und gewissenhaft.“

 

Hier der Beweis: Aus dem Jahr 1848 erfahren wir, dass in Oberreichenbach Lehrer und Schulkinder zusammen mit dem Ortsvorsteher in den Staatswald gingen und holten, was sie an Brennholz brauchten. Und an anderer Stelle wird beklagt, dass die meisten Bauern und Gütler ihre Schießprügel hätten und nach Herzenslust „pürschten“, also wilderten.

 

 

 

Ja, so war sie, „die gute alte Zeit“, in der die Oberreichenbacher so wie in diesem Jahr über den Egidi-Tag ihre Kirchweih feierten. 

 

 

 

 Klaus-Peter Gäbelein

 

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